Heute beginnt er endlich, unser Ausflug nach Den Haag! Diesen Anlass möchte ich dazu nutzen, nicht nur einen Reisebericht zu verfassen, sondern auch, um die letzten Jahre, die ich im engen Austausch mit der Niederlande – Land und Leuten – verbracht habe, Revue passieren zu lassen. Mein heutiger Blogeintrag beschäftigt sich mit einem Blick hinter die Kulissen und die üblichen Klischees. Es geht um die kleinen alltäglichen Gepflogenheiten. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine Sozialstudie, sondern eher um einen Querschnitt der kleinen, feinen Nuancen, die mir ganz persönlich aufgefallen sind. Niederländer werden für ihre offene und herzliche Art geschätzt, was ein verstohlener Blick in die Wohnzimmerfenster bereits erahnen lässt, denn meist kann man durch die Häuser bis in den Garten hinter dem Haus hindurchsehen. Begründet wird dieser Umstand häufig mit der calvinistischen Prägung, wohingegen von einer Gardienensteuer, als maßgeblichen Grund für diese tiefen Einblicke, nicht die Rede sein kann. Hinzu kommt, dass man sich in nahezu allen Wohnhäusern sehr leicht orientieren kann. Ohne pauschalisieren zu wollen, aber ich würde ganz stark vermuten, dass das nächste Wohnhaus, dass ihr betretet, auf der linken Seite ein WC mit Waschbecken im Flur hat und ihr geradezu in das Wohnzimmer kommt, was über eine offene Wohnküche verfügt. Demgegenüber sind den Niederländern Mehrfamilienhäuser, wie sie in Deutschland Gang und Gebe sind, nahezu fremd. Das führt dazu, dass ihr einem niederländischen Absender besser sagen solltet, dass er den Brief nicht nur adressieren, sondern vor allem auch mit vollständigem Namen versehen soll. Da in den Niederlanden meist nur ein Name einer Hausnummer zugeordnet wird, ist es dort nicht unbedingt gebräuchlich. Allerdings solltet ihr demgegenüber auf den vollständigen Postcode – vergleichbar unserer Postleitzahl – achten. Dieser besteht in den Niederlanden neben vier Zahlen auch aus zwei Buchstaben. Diese Buchstaben geben die geographische Lage des Wohnhauses innerhalb der Stadt an, vergleichbar mit den Koordinaten, wenn ihr euch durch einen Atlas kämpft. Hinter der Haustür angelangt, wird euch sicher eine Welle an Gastfreundschaft entgegenschlagen. Ihr werdet häufig gefragt, ob ihr nicht noch etwas trinken oder essen wollt und ich habe das Gefühl, dass Niederländer Freunde von „hapjes“ sind, also von kleinen Snacks, die zwischendurch gereicht werden und ganz klassisch natürlich das „kopje koffie“. Ja, die Niederländer haben einen großen Kaffeeverbrauch – morgens, nachmittags und nach warmen Mahlzeiten, die vorzugsweise abends eingenommen werden. Sollte euch zum Kaffee allerdings ein Stück (Geburtstags-)Kuchen gereicht werden, dann fragt bitte nicht nach einem zweiten Stück und wundert euch auch nicht, wenn euch kein weiteres angeboten wird, denn Kuchen gibt es nur auf Zuteilung und uhrzeitenunabhängig. Gerade bei Geburtstagen gibt es nicht etwa das deutsche Kaffeetrinken mit eingedecktem Tisch, Kuchen und Kaffee und der gesamten Verwandschaft. Nein, in den Niederlanden wird nicht einmal dazu eingeladen, denn jeder kommt, wann er kann im Verlaufe des Tages vorbei und wird natürlich auch zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einem Stück Kuchen empfangen. Dieser kommt dann direkt aus der Küche und wird meist auf einem untertassengroßen Teller überreicht. Möchte man an seinem Geburstag also keinen Besuch empfangen und ihn anderweitig verplanen, sollte man sicherheitshalber überall Bescheid geben und ihn bestenfalls verlegen. Ihn vollständig ausfallen zu lassen dürfte eher in die Kategorie „no Go“ fallen. Bei der Terminplanung sind unsere niederländischen Nachbarn dann aber umso flexibler und es kann auch gern mal vorgefeiert werden. Gratulieren ist übrigens auch an diesem Tag schon ausdrücklich erwünscht und vor allem nicht nur gegenüber dem Geburtstagskind, sondern gegenüber allen Gästen! Der ganzen Familie und allen anwesenden Freunden wird zum Geburtstags des Geburtstagskindes gratuliert. Wenn ihr dann – nach der langen Runde der Gratulation und den üblichen drei Küssen zur Begrüßung – euer Kuchenstück verspeist und / oder die dargebotenen „hapjes“, Eintopf oder Gegrilltes, denkt bitte daran, dass ihr euch dabei nicht die Nase putzt, denn das wird als unhöflich empfunden, selbst wenn man sich dabei wegdreht. Bei mir wurde es irgendwann geduldet, weil meine Nase einfach immer beim Essen läuft, besonders bei warmen Essen, und ich ansonsten nur noch zwischen Toilette und Essen pendeln würde. Wem das alles zu anstrengend klingt, obwohl die Atmosphäre eigentlich recht locker und gemütlich ist, der kann selbstverständlich auch einfach essen gehen. Aber dann bedenkt, dass ihr zusammen bezahlt, denn getrennte Abrechnungen kennen die Niederländer nur von deutschen Touristen. Falls ihr danach mit den ausgehwütigen Niederländern noch weiterzieht, werdet ihr feststellen, dass auch da die Getränke rundenweise geholt werden. Kurzum, probiert es einfach aus, denn das sind Dinge, die in keinem Reiseführer stehen und die man einfach nur selbst erleben kann und selbst erleben sollte, möchte man die Kultur des Nachbarlandes besser kennenlernen. Ich selbst finde so etwas immer unheimlich spannend und bereichernd – dus alvast veel plezier!
