Zeit der Begegnungen

Kennen wir das nicht alle – wir waten durch unser Leben, sind jung, kerngesund, kommen eigentlich ganz gut über die Runden und doch fehlt etwas. Unzufriedenheit schleicht sich ein. Einer klagt über die Arbeit, der Nächste ist mit sich selbst unzufrieden, wieder andere äußern ihren Unmut, ohne recht zu wissen, woran es liegt. Ihre Ursachen zu erkennen ist der erste Schritt sie zu lösen. Mir fehlten in letzter Zeit v.a. die Sozialkontakte, Menschen mit denen ich mich austauschen kann, an deren Leben ich teilhaben darf und die ich an meinem Leben teilhaben lassen möchte. Dabei geht es gar nicht so sehr darum den einen Menschen zu finden, sondern um den Austausch, das Miteinander insgesamt. (Auch das musste ich erstmal für mich erkennen und begreifen.) Ich möchte mich nicht einsam und allein hinter meinem Schreibtisch verschanzen und mich eigenbrödlerisch dem Lauf der Zeit auszusetzen. Das habe ich viel zu lange gemacht. Ich möchte nicht nach der Arbeit nach Hause trotten, auf ein leeres Handy starren und warten bis die Nacht anbricht und die Müdigkeit mich in einen unruhigen Schlaf gleiten lässt. Ich möchte nicht zur Fernsehgeneration gehören, sondern mein Leben lieber in südländischer Manier verbringen – draußen und unter Leuten. Das schafft neue Eindrücke und befreit zugleich den Kopf vom Alltagsstress. Kontakte geben Halt und Zuversicht. Wir alle wissen, wie gut es tut, nicht allein sein zu müssen. Kontakte, Bekanntschaften und Freundschaften erden uns, machen uns gelassener und helfen uns, uns selbst zu finden. Sie helfen uns herauszufinden, wer wir sind, was unsere Schwächen und Stärken sind und sie geben uns einen Platz in der Gesellschaft. Da es manchmal aber gar nicht so einfach ist fernab der Heimat neue Kontakte zu finden, auch wenn es in unserem Umfeld wohl mehr ebenso Gestrandete gibt als wir glauben, ist es hilfreich, wenn wir einen Weg finden, aufeinander zuzugehen. Ich selbst würde mich gegenüber Fremden nicht gerade als extrovertiert bezeichnen. Im Mittelpunkt stehe ich ungern und auch wenn ich ein sehr offener Mensch bin, gehöre ich nicht zu den Leuten, die den ersten Schritt machen. Bis jetzt. Ich bin über meinen Schatten gesprungen als ich wusste, was mir fehlt und ich wusste, was ich verändern möchte. Dazu musste ich aus meinem Schneckenhäuschen herauskommen. Was soll schief gehen?! Dass mich mein Gegenüber müde belächelt? Dass eine Unterhaltung vielleicht gar nicht erst zustande kommt oder der Kontakt danach verebbt?! Selbst wenn?! Was gehen wir schon für Risiken ein?! Im schlimmsten Fall hätten wir danach zu den Menschen keinen Kontakt, zu denen wir vorher auch keinen hatten. Auch eine Unterhaltung ohne Fortsetzung kann bereits sehr bereichernd sein, denn nur durch Austausch kann man seinen Horizont erweitern und neue Dinge erfahren. Unabhängig vom Ausgang dieser Unterhaltung beschenken wir uns mit dem guten Gefühl, über unseren Schatten springen zu können und gewinnen an Sicherheit für künftige Begegnungen – vielleicht mit der selben Person, vielleicht mit anderen. Ich habe es ausprobiert. Auf einem Betriebsfest habe ich mich ganz gezielt mit Leuten unterhalten, mit denen ich sonst gar nichts zu tun hatte und es war viel unkomplizierter als gedacht, mehr noch, es waren sehr angenehme Unterhaltungen. Am nächsten Tag folgte ein Spaziergang mit einem mir bis dato unbekannten Menschen, den ich gleichermaßen spannend wie wohltuend empfand und der schon morgen seine Fortsetzung findet. Den Abend verbrachte ich Fußball schauend mit meiner Bushaltestellenbekanntschaft bei Weißwein und im Sonnenschein. Am Sonntag wartet bereits eine andere Verabredung zum Brunch. Und ja, es tut gut. Es tut gut rauszukommen, unter Leute zu kommen, Gesellschaft und Aufmerksamkeit genießen zu dürfen und es macht irgendwie gelassener und zuversichtlicher, seinen Platz im Leben (doch noch) zu finden.

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17 Gedanken zu “Zeit der Begegnungen

    • Wie Recht du hast! Meist liegt nur ein kleiner Schritt oder ein kurzes Lächeln zwischen uns und unseren Mitmenschen – also alles andere als unüberbrückbare Hürden und wer weiß, vielleicht retten wir damit jemanden den Tag und vielleicht ist es ab und an sogar unser eigener.

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